KANZLEI FÜR BANK- UND KAPITALMARKTRECHT

Rechtsanwältin Julia von Bredow

BGH entscheidet zugunsten von Anlegern eines Zins-Swap-Vertrages (BGH XI ZR 378/13)

Der anfängliche negative Marktwert bei Zins-Swap-Verträgen ist Dreh- und Angelpunkt bei juristischen Auseinandersetzungen, wenn es darum geht, die Grenzen der Aufklärungspflichten gegenüber den Anlegern zu stecken. In jüngster Zeit hatte der BGH mehrere Entscheidungen zu Zins-Swap-Verträgen getroffen.

 

Zunächst hatte der BGH mit Urteil vom 22. März 2011 zu Az. XI ZR 33/10 klargestellt, dass für die beratende Bank im Rahmen einer durchgeführten Anlageberatung eine Pflicht zur Aufklärung über den negativen anfänglichen Marktwert besteht, weil der von ihr bewusst strukturierte negative Marktwert Ausdruck eines schwerwiegenden Interessenkonfliktes ist.

 

Ein Zins-Swap-Vertrag ist eine Wette, bei der der Anleger gegen die Bank bzw. andere Marktteilnehmer auf die gegenteilige Entwicklung der Zinsdifferenzen auf einem bestimmten Kapitalmarkt. Dabei spiegelt der Gewinn der einen Seite den Verlust der anderen Seite wieder. Der Anleger profitiert also nur, wenn die tatsächliche Entwicklung mit der Entwicklung übereinstimmt, auf die er gewettet hat. Die Bank auf der anderen Seite profitiert nur, wenn sich die tatsächliche Entwicklung von der prognostizierten abweicht.

 

Der anfänglich negative Marktwert spiegelt nicht den voraussichtlichen Erfolg und Misserfolg des Geschäftes wider, sondern den Marktwert bei Abschluss des Vertrages, der zu diesem Zeitpunkt durch Glattstellung des Vertrages realisierbar wäre. Der jeweils aktuelle Marktwert wird anhand finanzmathematischer Berechnungsmodelle in der Weise ermittelt, dass – unter Berücksichtigung gegebenenfalls bestehender Optionsbestandteile und bei einem Währungsswap der Wechselkursentwicklung – die voraussichtlichen künftigen festen und variablen Zinszahlungen der Parteien gegenübergestellt und mit den an den entsprechenden Zahlungsterminen gültigen Abzinsungsfaktoren auf den Bewertungszeitpunkt abgezinst werden. Negativ wird der Marktwert, indem die Bank in diesen ermittelten “Modellwert” ihre Netto-Gewinnmarge und ihre Kosten, wie etwa zur Risikoabsicherung, Eigenkapitalunterlegung oder zur Geschäftsabwicklung, durch entsprechende Festlegung der Strukturelemente des Swaps einstrukturiert

 

Der Entscheidung des BGH vom März 2011 lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die beratende Bank, die gleichzeitig auch die Zinswette anbot, nicht für die gesamte Laufzeit die Wettgegnerin war. Sofort nach Abschluss hatte sie nämlich im Rahmen eines Hedge-Geschäftes ihre Wette an einen anderen Marktteilnehmer weitergegeben. Der BGH sah allerdings darin keinen Grund, die Bank von der Aufklärungspflicht zu befreien. Ihren Wettvorteil konnte sie nämlich durch den Weiterverkauf sichern.Verneint hat der BGH hingegen die Aufklärungspflicht über den negativen anfänglichen Marktwert mit Urteil vom 20. Januar 2015 zu Az. XI ZR 316/13, wenn die Bank von vornherein keine Wettgegnerin ist, weil sie dann keinem schwerwiegendem Interessenkonflikt unterliege.
 
Mit seiner jüngsten Entscheidung zum Thema Zinsswapgeschäfte vom 28.04.2015 zu Az. XI ZR 378/13 hatte der BGH erneut über die Voraussetzungen der Aufklärungspflicht zu entscheiden. Die Klägerin, eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rund 30.000 Einwohnern, und die Rechtsvorgängerin der Beklagten schlossen in den Jahren 2006 bis 2008 auf der Grundlage eines im April 2006 vereinbarten und von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes erarbeiteten Rahmenvertrages für Finanztermingeschäfte (nachfolgend: Rahmenvertrag) verschiedene Zinssatz-Swap-Verträge. Der BGH stellte zunächst klar, dass die Aufklärungspflicht über den anfänglichen negativen Marktwert nicht nur bei komplexen strukturierten Zinswetten gilt, sondern für alle Zins-Swap-Geschäfte gleichermaßen. Darüber hinaus stellte der BGH auch klar, dass allein die Tatsache, dass die Klägerin die gewinnbringenden Zins-Swap-Geschäfte beibehalten wollte und nur das verlustbringende Geschäft rückabwickeln möchte, noch nicht zur Annahme führt, dass sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Verträge trotzdem abgeschlossen hätte. Letztlich verwies der BGH den Fall zurück an die untere Instanz, die nun nach dieser Maßgabe den Fall zu entscheiden hat.