KANZLEI FÜR BANK- UND KAPITALMARKTRECHT

Rechtsanwältin Julia von Bredow

Kapitalanlagen: Das Mitverschulden des Anlegers bei Beratungsfehlern (BGH 19.02.2015 – III ZR 90/14)

Wer ist verantwortlich für die fehlerhafte Anlageberatung? Hätte der Berater aufmerksamer die Marktsituation prüfen müssen, bevor er die Empfehlung zum Geschäftsabschluss aussprach? Oder hätte der Anleger nicht einfach blind auf die Angaben des Beraters vertrauen dürfen? In Anlegerschutzprozessen tauchen diese Fragestellungen immer wieder auf und skizzieren ein großes Feld der Unsicherheiten bei den geführten Prozessen. Grundsätzlich gilt, dass ein Anleger den Angaben seines Beraters vertrauen darf.

Eine Pflicht zur eigenständigen Überprüfung der Angaben des Beraters besteht gerade nicht. Ausnahmen gibt es nur dann, wenn der Anleger selbst über ein bestimmtes Maß an Fachwissen und Erfahrung verfügt, die es ihm erlauben, sich ein eigenes Bild über die geplante Investition zu machen. Ein Sonderfall bildet der Fall, dass der Anleger zwar über kein Fachwissen oder Erfahrung verfügt, aber in besonderem Maße leichtsinnig hohe Summen investiert. Genau dieser Sonderfall war Gegenstand der Entscheidung des BGH vom 19.02.2015.

Das Berufungsgericht ging noch von einem Mitverschulden des Anlegers aus, weil dieser äußerst leichtsinnig vorgegangen sei und habe erhebliche Summen aufs Spiel gesetzt habe, ohne sich mit der Materie im Einzelnen zu beschäftigen. Er habe die Dienste des Beraters zwar gerade deshalb in Anspruch genommen, weil er selbst als Anleger über keine Sachkunde verfügt habe; eine Obliegenheit, die Empfehlungen des Beraters zu überprüfen, habe danach nicht bestanden. Auch wenn das Verhalten des Anlegers nicht als grobe Fahrlässigkeit eingestuft werden könne, so stelle es doch ein erhebliches Verschulden gegen sich selbst und die ureigensten Interessen dar. Dieser Leichtsinn wiege unter Abwägung aller Gesichtspunkte ebenso schwer wie das fahrlässige Vorgehen des Beraters, eine Gesellschaftsbeteiligung an einem Unternehmen zu empfehlen und als sicher darzustellen, deren Auswirkungen er weder wirtschaftlich noch steuerlich habe einschätzen können.
Während vorinstanzlich daher von einer Mitschuld von 50 % ausgegangen wurde, erkannte der BGH, dass den Anleger keine Schuld treffe und er sich vollumfänglich auf die Angaben und die Empfehlung seines Beraters verlassen durfte. Das Verhalten des Anlegers, der die bestehenden Risiken nicht realisiert hat, belegt nach Ansicht des BGH nur, dass er sich auf die beschwichtigenden Aussagen sowie die Kenntnisse und Erfahrungen des Beraters verlassen hat. Insoweit gilt jedoch der Erfahrungssatz, dass ein Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters in Anspruch nimmt, den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Beraters, die dieser in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht zumisst und zumessen darf (vgl. nur Senatsurteil vom 22. Juli 2010 – BGH Aktenzeichen IIIZR20309 III ZR 203/09, NJW-RR 2010, NJW-RR Jahr 2010 Seite 1623 Rn. NJW-RR Jahr 2010 Seite 1623 Randnummer 15). Der Anleger ist daher nicht weniger schutzwürdig als andere Anleger, die auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihnen zuteil gewordenen Beratung vertraut haben.