KANZLEI FÜR BANK- UND KAPITALMARKTRECHT

Rechtsanwältin Julia von Bredow

VW-Aktionäre: Schadenersatz wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 37b WpHG

Die Abgasmanipulation betrifft weltweit rund 11 Mio. Fahrzeuge des VW-Konzerns. Konkret geht es darum, dass in diesen Fahrzeugen eine Manipulationssoftware eingebaut wurde, die Schadstofffilter nur im Prüfzustand aktiviert. Im regelmäßigen Verkehr hingegen nicht, so dass die tatsächlichen Abgase um ein Vielfaches höher sind – und behördliche Zulassungswerte weit übersteigen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Luftqualität, sondern stellt auch die bestehenden behördlichen Zulassungen für diese Fahrzeuge in Frage. Betroffene Autofahrer müssen eventuell damit rechnen, nicht mehr in innerstädtischen Bereichen fahren zu dürfen. Ein Verkaufseinbruch von VW-Fahrzeugen und mögliche Rückgabeaktionen stehen im Raum. Inzwischen erlitten auch die VW-Aktien einen gewaltigen Kurseinbruch.

 

Aktionäre haben Anspruch auf Schadenersatz nach § 37b WpHG. Konkret besagt die Norm:

 

„Unterlässt es der Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, unverzüglich eine Insiderinformation zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betrifft, ist er einem Dritten zum Ersatz des durch die Unterlassung entstandenen Schadens verpflichtet, wenn der Dritte

1. die Finanzinstrumente nach der Unterlassung erwirbt und er bei Bekanntwerden der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente ist oder

2. die Finanzinstrumente vor dem Entstehen der Insiderinformation erwirbt und nach der Unterlassung veräußert.“

 

Wann konkret VW die Aktionäre hätte informieren müssen, lässt sich noch nicht eindeutig bestimmen. In Betracht kommen verschiedene Zeitpunkte: der Einbau der Manipulation von Bosch entwickelte Software manipulativ zu verwenden, Hinweise an Vorgesetzte durch VW-Techniker oder erst die jüngsten Entwicklungen in den USA. Feststeht jedoch, dass die Mitteilung vom 22.09.2015 wohl zu spät kam.

 

Geschädigte Anleger können, soweit die gesetzlichen Anforderungen des § 37b WpHG in ihrem Fall erfüllt sind, den gesamten Schaden geltend machen. Bereits 2011 hat der Bankensenat des BGH ein Grundsatzurteil zum Thema Marktmanipulation erlassen und in diesem Zusammenhang entschieden, dass der Schadensersatzanspruch aus § 37b WpHG auf Erstattung des Kaufpreises der Aktien Zug um Zug gegen deren Rückgabe gerichtet ist, alternativ aber auch die Erstattung der Differenz zwischen dem Kurs bei Erwerb der Aktien und deren fiktiven Kurs bei Veröffentlichung einer unverzüglichen Ad-hoc-Mitteilung verlangt werden kann (vgl. BGH Urteil vom 13.12.2011 zu Az. XI ZR 51/10). Im Hinblick auf mögliche Verjährungstatbestände sollten Aktionäre jedoch frühzeitig ihre Ansprüche prüfen lassen und ggf. geltend machen.

 

Update  vom 22.10.2015:

 

Nach derzeitiger Sachlage sind die Aktionäre in folgende Gruppen einzuteilen:

 

a) Erwerb der Aktien nach dem 03.09.2015:

 

Da die VW-Konzernleitung am 03.09.2015 gegenüber den US-Behörden einräumte, von der Manipulationssoftware Kenntnis zu haben, können VW-Aktionäre, die zu diesem Zeitpunkt die Aktien noch nicht im Portfolio hatten, davon ausgehen, dass sie anspruchsberechtigt sind.

 

b) Erwerb der Aktien vor dem 03.09.2015:

 

Bei der Gruppe der Aktionäre, die VW-Aktien bereits vor dem 03.09.2015 in ihrem Portfolio hatten, muss weiter differenziert werden. Angeblich hatte der VW-Chef für Nordamerika bereits zu Beginn des Jahres 2015 Kenntnis über die Manipulationssoftware, nach anderen Berichten bereits im Frühjahr 2014. Weiterhin wird noch untersucht, ob die VW-Konzernleitung nicht schon viel früher Kenntnis hatte. Nach Medienberichten war den VW-Technikern die Manipulationssoftware von Anfang an bekannt. Auch die Robert Bosch GmbH, die die Manipulationssoftware hergestellt hat, warnte den VW-Konzern angeblich schon sehr viel früher davor, die Software zu manipulativen Zwecken zu verwenden. Diesbezüglich bestehen noch sehr viele Ungereimtheiten. Das Kapitalmusterverfahren kann hier die notwendige Klarheit bringen.